Vor einigen Monaten sorgte ein Video aus Sylt für erhebliches Aufsehen in der öffentlichen und politischen Diskussion. Der Vorfall zeigte deutlich, dass Rassismus in Deutschland ein tief verwurzeltes, strukturelles Problem darstellt, das auch in der sogenannten Oberschicht zu finden ist. Neben den moralischen Fragen, die das Video aufwarf, wurden auch zahlreiche strafrechtliche Aspekte diskutiert. Das Video, in dem Partygäste zu Gigi D'Agostinos Hit "L'amour toujours" geschmacklose, ausländerfeindliche Parolen skandierten, verbreitete sich schnell im Internet. In der Folge traten ähnliche Vorfälle auf, unter anderem auch in Hannover. Mitte Mai wurden auf einem Schützenfest in Kleinburgwedel (Region Hannover) bei demselben Lied ebenfalls rassistische Parolen gerufen. Nachdem der Ortsbürgermeister den Vorfall meldete, leitete der Staatsschutz Ermittlungen ein. Kürzlich gab die Staatsanwaltschaft Hannover jedoch bekannt, dass das Verfahren eingestellt wurde. Warum das so ist, möchte ich als Anwalt für Strafrecht aus Hannover genauer erläutern.
Das Verhältnis zwischen Volksverhetzung Meinungsfreiheit
Es ist eine Herausforderung, strafrechtlich relevante Volksverhetzung von der durch Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes geschützten Meinungsfreiheit zu unterscheiden. Besonders in den sozialen Netzwerken nehmen hasserfüllte Äußerungen immer mehr zu. Dabei ist es wichtig, klar zwischen Beleidigungen, Schmähkritik, Werturteilen und Volksverhetzung zu differenzieren. Diese Abgrenzung erfordert oft eine genaue Einzelfallbewertung und kann sehr komplex sein. Denn die Meinungsfreiheit erlaubt auch polemische, provokative und zugespitzte Äußerungen.
Entscheidung in Hannover - "Ausländer raus"
Schriftlich teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hannover mit, dass beim Singen der Zwar könnten Parolen wie „Deutschland den Deutschen“ und „Ausländer raus“ grundsätzlich den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen, doch in diesem konkreten Fall war das Singen dieser Parolen nicht ausreichend, um eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung zu begründen. Die bloße Infragestellung des Aufenthaltsrechts von Ausländern stellt für sich genommen noch keinen Angriff auf die Menschenwürde dar. Wie die Behördensprecherin erläuterte, wäre dafür „eine gesteigerte Feindseligkeit oder eine schwerwiegende Form der Missachtung gegenüber einem Teil der Bevölkerung“ erforderlich. Die Staatsanwaltschaft Hannover stützt sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Im Jahr 2010 hat das Bundesverfassungsgericht in einem ähnlichen Fall die Meinungsfreiheit über den Vorwurf der Volksverhetzung gestellt, während die Instanzgerichte eine andere Auffassung hatten. Es ging damals um ein Plakat mit der Aufschrift „Ausländerrückführung – Für ein lebenswertes deutsches Augsburg“. In seiner Rechtsprechung zur Volksverhetzung gemäß § 130 StGB verfolgt das Bundesverfassungsgericht eine deutlich striktere Linie. Die Parole „Ausländer raus“ wird nur dann als Angriff auf die Menschenwürde gewertet, wenn zusätzliche, verschärfende Begleitumstände hinzukommen, wie etwa das Zeigen des verbotenen Hitlergrußes oder anderer NS-Zeichen. Auch der Kontext, in dem solche Parolen geäußert werden, spielt eine entscheidende Rolle.
Laut der Staatsanwaltschaft Hannover zeigten die Auswertungen des Videos keine Hinweise darauf, dass über bloße Ablehnung und Verachtung hinaus zum Hass gegen Ausländer angestachelt oder zu Gewalt oder Willkür aufgerufen wurde. Die Sprecherin erklärte, dass die Parolen in einer ausgelassenen Partystimmung gesungen wurden. Zudem stelle das bloße Infragestellen des Aufenthaltsrechts von Ausländern keinen Angriff auf die Menschenwürde dar.
Fazit
Als Anwalt verstehe ich, dass Tatbestände wie Volksverhetzung in die Meinungsfreiheit eingreifen. Deshalb ist eine sorgfältige Abwägung und eine restriktive Anwendung in solchen Fällen wichtig, auch wenn ich die Aussagen im Video persönlich verachte. Da ich die Akten nicht kenne, kann ich keine rechtliche Einschätzung abgeben, da mir die konkreten Begleitumstände nicht bekannt sind. Es ist wichtig zu beachten, dass die Parole nicht automatisch strafbar ist. Sollten Sie Fragen oder rechtliche Anliegen zu einem ähnlichen Fall haben, kontaktieren Sie gerne meine Kanzlei in Hannover. Als erfahrener Strafverteidiger stehe ich Ihnen zur Verfügung und kümmere mich um Ihr Anliegen
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