Als Strafverteidiger ist es unerlässlich, die aktuelle Rechtsprechung – insbesondere die des Bundesgerichtshofs (BGH) – stets im Blick zu behalten, um die bestmögliche Verteidigung für Mandanten zu gewährleisten. Der jüngste Fall, in dem der BGH ein Urteil des Landgerichts Halle aufgehoben hat, weil der notwendige bedingte Tötungsvorsatz nicht ausreichend begründet wurde, bietet eine gute Gelegenheit, diese rechtlichen Grundsätze einmal näher zu beleuchten: Kann ein Tötungsvorsatz tatsächlich angenommen werden, wenn der Täter das Opfer aus dem Fenster im zweiten Stock stößt?
Der Fall und die Bedeutung des Tötungsvorsatzes
Im Zentrum dieses Falles steht ein Vorfall aus dem Jahr 2013, bei dem der Angeklagte das Opfer auf einer Party, angetrieben durch Eifersucht und nach erheblichem Alkohol- und Drogenkonsum, aus dem Fenster eines zweiten Stockwerks stieß. Das Opfer fiel sechs Meter in die Tiefe und erlitt schwere Kopfverletzungen. Das Landgericht Halle sah in dieser Tat den bedingten Tötungsvorsatz erfüllt und verurteilte den Angeklagten wegen versuchten Totschlags.
Jedoch hob der BGH dieses Urteil auf. Der Grund: Das Landgericht hatte die wesentlichen Voraussetzungen des bedingten Tötungsvorsatzes nicht ausreichend berücksichtigt und differenziert geprüft. Aus Sicht des Strafverteidigers in Hannover wirft dies die Frage auf, wann genau ein Tötungsvorsatz anzunehmen ist und welche Anforderungen der BGH an die Begründung dieses Vorsatzes stellt.
Die Anforderungen an den bedingten Tötungsvorsatz: Wissens- und Willenselement
Das Willenselement verlangt, dass der Täter diese Möglichkeit auch billigend in Kauf nimmt – also bewusst die schwerwiegenden Folgen seines Handelns akzeptiert.
Im vorliegenden Fall kritisierte der BGH das Landgericht Halle, da es versäumt hatte, diese beiden Elemente ausreichend zu prüfen und zu unterscheiden. Für uns Strafverteidiger in Hannover bedeutet dies, dass es in der Verteidigung darauf ankommt, gezielt auf diese beiden Komponenten einzugehen. Die bloße Tatsache, dass eine Handlung objektiv gefährlich ist – wie hier der Stoß aus dem Fenster – darf nicht ausreichen, um einen Tötungsvorsatz anzunehmen. Vielmehr muss sich das Gericht auch mit der inneren Haltung des Täters und seiner konkreten Sichtweise im Tatzeitpunkt auseinandersetzen.
Objektive Gefährlichkeit allein genügt nicht
Ein weiterer entscheidender Punkt, den der BGH in seinem Urteil klarstellt, ist, dass allein die objektive Gefährlichkeit einer Tat – wie in diesem Fall der Sturz aus mehreren Metern Höhe – nicht automatisch auf einen Tötungsvorsatz schließen lässt. Dies ist ein wichtiger Aspekt, der in vielen strafrechtlichen Verfahren übersehen wird. Als Rechtsanwalt in Hannover muss ich in solchen Fällen darauf bestehen, dass die Verteidigung die Gesamtschau aller Umstände – sowohl objektiver als auch subjektiver Natur – einfordert.
Der BGH betont dabei, dass auch die subjektiven Umstände der Tat, wie die psychische Verfassung des Angeklagten, seine Motivationslage und seine spezifische Sichtweise im Tatmoment, sorgfältig zu berücksichtigen sind. Es reicht also nicht aus, dass der Täter weiß, dass sein Handeln tödlich enden könnte. Entscheidend ist, ob er diese Folge auch in Kauf genommen hat.
Subjektive Tatseite als entscheidender Verteidigungspunkt
Für einen Strafverteidiger, der seinen Mandanten vor schweren Vorwürfen wie versuchtem Totschlag verteidigt, ist die genaue Analyse der subjektiven Tatseite von zentraler Bedeutung. Dabei kommt es vor allem darauf an, ob der Täter in der konkreten Situation bewusst den Tod des Opfers in Kauf nahm, oder ob er vielmehr nur mit einer schweren Körperverletzung rechnete, ohne den Todeserfolg tatsächlich zu wollen.
In diesem Fall wollte der Angeklagte nach eigener Aussage das Opfer "bestrafen" und verletzen, da er sich über die vermeintliche Täuschung über das Geschlecht einer anderen Person ärgerte. Für uns als Anwälte bedeutet dies, dass die Differenzierung zwischen der Absicht zur Körperverletzung und dem möglichen Todeseintritt präzise herausgearbeitet werden muss. Es gilt, das Gericht davon zu überzeugen, dass die Annahme eines Tötungsvorsatzes unzureichend ist, wenn der Täter zwar die Gefährlichkeit der Situation erkennt, aber nicht bereit ist, die tödlichen Folgen zu akzeptieren.
Fazit
Der Fall zeigt deutlich, dass der BGH hohe Anforderungen an die Begründung des bedingten Tötungsvorsatzes stellt. Insbesondere die Unterscheidung zwischen Wissens- und Willenselement ist von zentraler Bedeutung und muss von den Gerichten genau geprüft werden. Für uns Strafverteidiger und Rechtsanwälte in Hannover bleibt es daher unerlässlich, stets auf eine differenzierte Betrachtung der subjektiven Tatseite zu drängen und sicherzustellen, dass eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags nicht allein auf die objektive Gefährlichkeit der Tat gestützt wird.
Sollten Sie sich in einem ähnlichen Fall wiederfinden oder Fragen zu diesem oder anderen strafrechtlichen Themen haben, stehe ich Ihnen als erfahrener Strafverteidiger in meiner Kanzlei in Hannover gerne zur Verfügung. Zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren, um eine kompetente und umfassende rechtliche Beratung zu erhalten.
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