Völlig ahnungslos wird die Autotür geöffnet, als plötzlich ein lauter Knall die Stille durchbricht. Niemand hätte erwartet, was gleich geschehen würde – ein Fahrradfahrer taucht wie aus dem Nichts auf und die Realität gerät ins Wanken. Ein Moment der Unachtsamkeit, und die Dinge verändern sich schlagartig.
Im Verkehrsgeschehen ereignen sich bedauerlicherweise immer wieder sogenannte Dooring-Unfälle. Ein "Dooring“-Unfall bezieht sich auf einen Verkehrsunfall, der auftritt, wenn eine sich öffnende Autotür von einem vorbeifahrenden Radfahrer oder einem anderen Verkehrsteilnehmer erfasst wird. Dies kann passieren, wenn ein Fahrer oder ein Beifahrer eines geparkten Fahrzeugs die Tür öffnet, ohne ausreichend auf den Verkehr hinter ihnen zu achten. Vor einiger Zeit habe ich einen solchen traurige Vorfall vor dem Amtsgericht Hannover verhandelt, eine schwierige Situation für alle Beteiligten. In diesem speziellen Fall kam der Fahrradfahrer unglücklicherweise ums Leben. Es handelt sich um einen Prozess, der für beide Seiten keine einfache Angelegenheit darstellt. In meiner Rolle als Rechtsanwalt in Hannover für Strafrecht und Verkehrsrecht habe ich in diesem Prozess den jungen Autofahrer vertrete, der von der Staatsanwaltschaft Hannover wegen der fahrlässigen Tötung angeklagt worden ist.
Wie schnell man sich durch fahrlässiges Verhalten beim Ein- und Aussteigen eines Fahrzeuges strafbar machen kann und wie man dies verhindert, erkläre ich als Strafrecht Anwalt Hannover in diesem Beitrag.
Strafbarkeit beim Dooring
Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte meinem Mandanten bei einem solchen „Dooring“-Unfall eine fahrlässige Tötung vorgeworfen. Bei nicht Eintreten des Tods wäre sonst eine fahrlässige Körperverletzung denkbar. Dafür müssen wir erstmal klar definieren was hier mit fahrlässig gemeint ist.
Fahrlässigkeit
Fahrlässigkeit bezieht sich auf das Vernachlässigen der gebotenen Sorgfalt im Verkehrsgeschehen. Diese Definition, bekannt aus dem Zivilrecht, wird auch in anderen Rechtsbereichen angewandt. Im Strafrecht liegt Fahrlässigkeit vor, wenn eine strafbare Handlung unabsichtlich begangen wird. Eine solche Tat ist nur dann strafbar, wenn der Täter, die ihm mögliche und angemessene Sorgfalt nicht beachtet und der entsprechende Straftatbestand fahrlässiges Verhalten unter Strafe stellt. Ebenso findet diese Definition im Versicherungsrecht Anwendung. Dafür sind zwei Aspekte von Bedeutung: die Vorhersehbarkeit des rechtswidrigen Ergebnisses sowie die Möglichkeit zur Vermeidung dieses Ergebnisses. Im Strafrecht spricht man von fahrlässigem Handeln, wenn der Täter den Tatbestand nicht absichtlich erfüllen wollte, sondern lediglich die ihm mögliche und zumutbare Sorgfalt außer Acht ließ, obwohl er den rechtlich erforderlichen Erfolg hätte vorhersehen können. Eine fahrlässige Tat ist nur dann strafbar, wenn das jeweilige Gesetz dies gemäß § 15 StGB vorsieht. Beispielsweise ist unbeabsichtigte Sachbeschädigung nicht strafbar, da es keine fahrlässige Sachbeschädigung gibt. Im Strafgesetzbuch (StGB) sind verschiedene fahrlässige Delikte aufgeführt, darunter fahrlässige Tötung (§ 222 StGB), fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) und fahrlässige Brandstiftung (§ 306d StGB). Man unterscheidet zwischen bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit. Bei unbewusster Fahrlässigkeit hat der Täter den vorhersehbaren Erfolg nicht bedacht, obwohl er ihn bei ausreichender Achtsamkeit hätte erkennen können. Der Täter muss in der Lage gewesen sein, die Situation entsprechend seinen Fähigkeiten einzuschätzen und den Schaden zu verhindern. Bei bewusster Fahrlässigkeit hingegen hat der Täter den möglichen Erfolg erkannt, vertraute aber darauf, dass dieser nicht eintreten würde. Die Schwere der Fahrlässigkeit beeinflusst die Strafe. Bei geringer Fahrlässigkeit fällt die Strafe niedrig aus, und das Verfahren kann gemäß § 153 StPO wegen geringer Schuld eingestellt werden. Im Zivilrecht spielt der Grad der Fahrlässigkeit eine Rolle, wenn mehrere Personen zur Schadensentstehung beigetragen haben und die Schuldverteilung festzulegen ist. Es sind zwei Punkte zu prüfen: Gab es eine objektive Verletzung der Sorgfaltspflicht und war diese Verletzung für den Täter erkennbar? Bei fahrlässigem Handeln beabsichtigt der Täter keinen Verstoß gegen die Rechtsordnung. Die Vorwerfbarkeit basiert darauf, dass er bei genügendem Bewusstsein hätte erkennen können, dass sein Verhalten eine Gefahr oder Verletzung eines geschützten Rechtsguts mit sich bringt. Die subjektive Seite der Fahrlässigkeit beinhaltet die Frage, ob der Täter den eingetretenen Erfolg voraussehen konnte. Gemäß § 15 StGB ist grundsätzlich nur vorsätzliches Handeln strafbar. Fahrlässigkeit wird nur bestraft, wenn es gesetzlich festgelegt ist
Grobe Fahrlässigkeit
Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit findet sich keine gesetzliche Definition für grobe Fahrlässigkeit. Diese tritt auf, wenn jemand in erheblichem Ausmaß seine Sorgfaltspflicht vernachlässigt und unüberlegt sowie fahrlässig agiert. Infolgedessen kann grobe Fahrlässigkeit als eine verschärfte Ausprägung von Fahrlässigkeit angesehen werden.
Darunter fällt beispielsweise das Benutzen eines Smartphones am Steuer.
Im Jahr 2018 wurde in Hannover eine Frau durch das Amtsgericht wegen fahrlässiger Tötung schuldig gesprochen. Die Staatsanwaltschaft plädierte auf grobe Fahrlässigkeit. Der Grund hierfür war, dass sie während des Telefonierens am Steuer stark abgelenkt war, einen Unfall verursachte und tragischerweise die angefahrene Person dabei ums Leben kam. Als Strafverteidiger Hannover hatte ich damals den Prozess mit Spannung verfolgt, da es ein Delikt war, welches jeden noch so unbescholtenen Bürger im Falle der Nutzung eines Mobiltelefon während der Autofahrt schnell treffen kann.
Aber wie hat mein Mandant die Sorgfaltspflicht verletzt?
Gemäß § 14 der Straßenverkehrsordnung wird gefordert, dass Personen, die ein- oder aussteigen, sich in einer Weise verhalten müssen, die jegliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließt. Die Sorgfaltspflichtverletzung stellt sich hier in der Verletzung des Schutzgesetzes dar.
Wenn man ehrlich zu sich selbst ist, wie oft hat man unbedacht die Tür geöffnet? Wie oft war es schon knapp, die Schwelle zu überschreiten, ohne nachzudenken? Es kann wirklich jeden treffen und im Gegensatz zu anderen Straftaten hat es nichts mit Vorsatz zu tun. Man kann ein geregeltes Leben führen, nie straffällig geworden sein, und dennoch kann sich alles ändern, wenn man nur einmal nicht aufpasst. Die Konsequenzen sind nicht zu unterschätzen. Sowohl fahrlässige Tötung als auch fahrlässige Körperverletzung können mit Freiheitsstrafe sanktioniert werden.
Bei den „Dooring“- Unfällen handelt es sich meist um Einzelfallentscheidungen, die häufig ohne die Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens (zur Feststellung des Winkels der geöffneten Tür und des Sicherheitsabstands des Radfahrers) nicht entschieden werden können. Meine jahrelange Erfahrung als Strafverteidiger Hannover zeigen, dass die Beteiligten oftmals weder genauen Angaben zu dem Unfall noch zu der entscheidenden Frage, wie weit die Tür offen stand bzw. wie nah der Radfahrer an dem Auto fuhr, machen können. Dann hilft oftmals nur die Einholung eines sog. Rekonstruktionsgutachtens.
Als Autofahrer sollten Sie daher sich vor dem Öffnen der Tür bereits den Verkehr beobachten und sicherstellen, dass ein gefahrloses Öffnen der Fahrertür möglich ist, um solche Unfälle zu vermeiden. Als Radfahrer sollten Sie indes einen angemessenen Seitenabstand wählen, welcher gewährleistet, dass Sie die Möglichkeit haben rechtzeitig zu reagieren und nicht bereits mit einer lediglich leicht geöffneten Tür kollidieren.
Tipp: Holländischen Griff, um Unfälle beim Türöffnen zu vermeiden.
Der holländische Griff ist eine clevere Methode, die beim Öffnen der Autotür angewendet wird, um Kollisionen mit vorbeifahrenden Fahrzeugen oder Radfahrern zu verhindern. Anstatt die Autotür mit der naheliegenden Hand zu öffnen (in Deutschland wäre dies die linke Hand für den Fahrer und die rechte Hand für den Beifahrer), verwendet man die fernere Hand (in Deutschland die rechte Hand für den Fahrer und die linke Hand für den Beifahrer). Dadurch dreht sich der Körper leicht zur Seite und ermöglicht einen besseren Blick auf den rückwärtigen Verkehr. Der holländische Griff minimiert das Risiko von Tür-Unfällen und trägt zur Sicherheit im Straßenverkehr bei. Eine Technik, die ich als erfahrener Rechtsanwalt für Strafrecht seit meines ersten „Dooring“-Falles ebenfalls übe in bestimmten Parksituationen regelmäßig zu nutzen.
Fazit
Zusammenfassend ist "Dooring" im Straßenverkehr ein bedeutendes Thema. Ein unachtsamer Moment beim Öffnen von Autotüren kann schwerwiegende Folgen haben, wie die rechtliche Betrachtung zeigt. Die Anwendung des "holländischen Griffs" ist eine nützliche Maßnahme, um Unfälle zu verhindern. Für rechtliche Fragen und Anliegen stehe ich als Fachanwalt für Strafrecht und Verkehrsrecht in Hannover und außerhalb von Hannover gerne zur Verfügung. Ich vertrete meine Mandanten als Strafverteidiger bundesweit.
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