Als Anwalt und Strafverteidiger aus Hannover verfolge ich aufmerksam die jüngsten Entwicklungen in der deutschen Politik, insbesondere die Diskussionen über die mögliche Strafbarkeit der Leugnung des Existenzrechts Israels. Diese Debatte, die von Hessens Justizminister Roman Poseck angestoßen wurde und nun von CDU und CSU im Bundestag aufgegriffen wird, sorgt für erhebliche Aufmerksamkeit und kontroverse Standpunkte.
Die Diskussion darüber, ob die Leugnung des Existenzrechts Israels unter Strafe gestellt werden sollte, ist zweifellos von großer Bedeutung, insbesondere angesichts der jüngsten Ereignisse im Nahen Osten. Doch die Frage, die sich stellt, ist, ob eine solche Strafrechtsänderung wirklich notwendig ist und ob sie in der aktuellen Gesetzeslage nicht bereits ausreichend abgedeckt ist.
Hessens Justizminister Poseck argumentiert, dass die Leugnung des Existenzrechts Israels immer als antisemitisch angesehen werden sollte. Aber bereits hier stellt sich die Frage, was genau unter "Existenzrecht Israels" verstanden wird und wie man es leugnen kann. Das Existenzrecht könnte das Recht eines bestehenden Staates bezeichnen, auch in Zukunft weiterzubestehen, und dieses wird vom Völkerrecht vorausgesetzt. Die Leugnung eines solchen Rechts könnte als Gewaltaufruf interpretiert werden, der nach geltendem Strafrecht bereits strafbar ist.
Ein weiterer Aspekt, der in der Debatte oft übersehen wird, ist die Interpretation der Parole "From the river to the sea, Palestine will/shall be free". Diese Parole wird häufig auf pro-palästinensischen Demonstrationen, wie auch zuletzt in Hannover, skandiert, und Poseck möchte sie unabhängig von Gewaltaufrufen verbieten, weil sie angeblich das Existenzrecht Israels fundamental ablehnt. Allerdings ist der genaue Inhalt dieser Parole unklar, und sie kann auf verschiedene Arten interpretiert und ausgelegt werden. Es könnte theoretisch bedeuten, dass zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer ein neuer Staat gegründet wird, in dem Juden, Muslime und Araber gleichberechtigt nebeneinander leben. Das allein zu verbieten, könnte die Meinungsfreiheit unverhältnismäßig stark einschränken.
Die Diskussion über die Strafbarkeit der Leugnung des Existenzrechts Israels wirft auch die Frage auf, ob solche Gesetzesänderungen mit dem Grundgesetz vereinbar wären. Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes schützt die Meinungsfreiheit, auch wenn die Meinung von der Mehrheit als ungerecht oder unsensibel angesehen wird. Die Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts müssen hier berücksichtigt werden. Die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion ist der Ansicht, dass das Strafgesetzbuch bereits ausreichend gegen Antisemitismus gerüstet ist und dass Staatsanwaltschaft und Polizei für die Durchsetzung der bestehenden Gesetze verantwortlich sind. Auch die Grünen teilen diese Meinung und betonen, dass die aktuellen gesetzlichen Regelungen ausreichen, um den Schutz des öffentlichen Friedens und der in Deutschland lebenden jüdischen Gemeinschaft sicherzustellen. Es gibt also keine offensichtliche Strafbarkeitslücke, die eine Gesetzesänderung rechtfertigen würde.
In meinen Augen handelt es sich bei dem Vorschlag von Hessens Justizminister Poseck eher um Symbolpolitik als um eine sinnvolle Gesetzesänderung. Die bestehende Gesetzeslage bietet bereits ausreichende Instrumente, um gegen Antisemitismus und Gewaltaufrufe vorzugehen. In meiner Funktion als Strafverteidiger habe ich schon einige Male erlebt, dass der Rechtssprechung bei klar erkennbarem Antisemitismus ausreichende Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung standen. Man könnte den Vorschlag, die Leugnung des Existenzrechts Israels unter Strafe zu stellen, für problematisch und unnötig sehen. Es ist wichtig, die Meinungsfreiheit zu wahren und nicht in Gefahr zu bringen, indem man voreilig neue Strafvorschriften einführt. Symbolpolitik allein wird den komplexen Herausforderungen nicht gerecht, und die bestehenden Gesetze sind nach meiner Auffassung bereits in der Lage, Gewalt und Hassverbrechen zu verfolgen und entsprechend zu sanktionieren.
Die Debatte über die Strafbarkeit der Leugnung des Existenzrechts Israels wird zweifellos weitergehen, und es wird für mich als Rechtsanwalt in Hannover für Strafrecht interessant sein zu sehen, wie sich die politische Diskussion in den kommenden Monaten entwickelt. Als Anwalt und Strafverteidiger werde ich weiterhin aufmerksam verfolgen, wie sich diese Frage in Deutschland entwickelt.
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