Als Fachanwalt für Strafrecht in Hannover verfolge ich mit Interesse die brisante Debatte um die Reformierung des § 130 StGB, insbesondere im Hinblick auf mögliche Verschärfungen im Kontext von antisemitischen Äußerungen. Grund hierfür sind antisemitischer Äußerungen im Kontext der jüngsten Pro-Palästina-Proteste, unter anderem in Hannover, und der angespannten Lage im Nahen Osten. Die Diskussionen, die sich in der Politik abzeichnen, werfen jedoch einige bedenkliche Fragen auf, die es wert sind, näher beleuchtet zu werden.
Aktuelle Situation
In meinem täglichen beruflichen Umfeld bundesweiter Strafverteidiger in Hannover begegne ich zahlreichen Fällen, in denen das Strafrecht bereits heute gegen antisemitische Straftaten vorgeht. Die jüngsten Forderungen nach einer Verschärfung des § 130 StGB, in dem die Volksverhetzung normiert ist, werfen jedoch die Frage auf, ob wir tatsächlich mit einem strafrechtlichen Schutzlückenproblem konfrontiert sind oder ob vielmehr die Umsetzung der bestehenden Gesetze und die Handhabung durch die Ermittlungsbehörden das eigentliche Problem darstellen. Ein Blick auf die Kriminalitätsstatistiken zeigt, dass antisemitisch motivierte Straftaten in Deutschland, unter anderem auch explizit in Hannover, zugenommen haben. Doch betrachtet man genauer, so wird klar, dass der Großteil dieser Taten dem rechtsextremen Milieu zuzuordnen ist. Hier stellt sich die Frage, ob nicht bereits bestehende Gesetze ausreichen, um gegen diese Form des Antisemitismus vorzugehen, und ob die Forderungen nach einer Verschärfung des Strafrechts notwendig sind.
Das Vorhaben
Die geplante Überprüfung des § 130 StGB durch den Innenausschuss des Bundestags sowie die Forderung der Union, Antisemitismus als besonders schweren Fall zu behandeln, werfen grundlegende Fragen auf. Die Justizministerkonferenz formuliert vorsichtiger, spricht von der Notwendigkeit, den Gefährdungen des öffentlichen Friedens ausreichend Rechnung zu tragen. Doch wo genau liegen die Schutzlücken?
Volksverhetzung als Tatbestand
Ein entscheidender Aspekt in der Debatte betrifft die Definition des Straftatbestands der Volksverhetzung gemäß § 130 StGB. Als erfahrener Anwalt für Strafrecht, habe schon einige Mandanten mit dem Vorwurf der Volksverhetzung vertreten. Dieser Paragraph ist als abstraktes Gefährdungsdelikt konzipiert, dass bestimmte Äußerungen unter Strafe stellt, weil sie als potenziell gefährlich eingestuft werden. Das Ziel der Volksverhetzung besteht darin, zu verhindern, dass abstrakte Botschaften Gewalt gegen bestimmte Personengruppen anstacheln. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die bereits bestehenden Gesetze ausreichen, um diesen Schutzzweck zu erfüllen. Um die Hintergründe dieser Diskussion und die vorgeschlagenen Reformen zu verstehen, ist es notwendig, die Vorschrift genauer zu analysieren. Der § 130 StGB fungiert sowohl als abstraktes Gefährdungsdelikt als auch als Äußerungsdelikt, was bedeutet, dass er bestimmte Aussagen unter Strafe stellt, weil sie als gefährlich betrachtet werden. Die grundlegende Idee hinter den verschiedenen Straftatbeständen des § 130 StGB besteht darin, bestimmte Personengruppen vor der Gefahr zu schützen, dass das gesellschaftliche Klima zu ihrem Nachteil kippt. Die Struktur der Volksverhetzung als Delikt mit drei Akteuren ist ein zentraler Punkt. Die Beteiligten sind derjenige, der die Hetze betreibt, die Person oder Personen, gegen die sie gerichtet ist, sowie ein Publikum, das Zeuge dieser Äußerungen wird. In der Diskussion wird eine abgestufte Auslegung des Schutzzwecks deutlich. Der § 130 StGB soll verhindern, dass abstrakte Botschaften verbreitet werden, die dazu geeignet sind, Gewalt gegen die Betroffenen zu fördern. Die Beurteilung, ob eine Äußerung tatsächlich die Gefahr einer kippenden Stimmung erhöht, sollte nach umstrittener, jedoch überwiegender Auffassung nicht empirisch im Einzelfall gemessen werden.
Wie sind die Reformvorschläge?
Einige Politiker schlagen eine mögliche Reform des § 130 StGB vor, die eine Erweiterung des Anwendungsbereichs beinhaltet. Dies schließt die Streichung des Merkmals der Eignung der Friedensstörung und die Präzisierung von Diskriminierungsmerkmalen ein. Experten warnen jedoch vor möglichen Konsequenzen einer ersatzlosen Streichung des Merkmals "Angriff auf die Menschenwürde". Es besteht die Besorgnis, dass die Strafen für antisemitische Beleidigungen und Verleumdungen übermäßig hoch werden und nicht mehr im Verhältnis zu anderen Delikten stehen könnten.
Die Reformvorschläge konzentrieren sich besonders auf die Streichung des Merkmals der Eignung der Friedensstörung. Dieses Merkmal schafft einen sogenannten Inlandsbezug, wodurch nur Personen oder Gruppen Opfer der Volksverhetzung sein können, die in Deutschland leben. Eine Streichung dieses Merkmals könnte zu Unübersichtlichkeiten bezüglich der Konsequenzen führen. Es stellt sich die Frage, ob die Vorschläge nicht zu einer Veränderung der Deliktsnatur führen und die bestehende Balance zwischen Meinungsfreiheit und Strafverfolgung gefährden könnten.
Als Rechtsanwalt in Hannover begrüße, dass der Entwurf die Diskriminierungsvarianten moderner formuliert, indem auch die Zuschreibung bestimmter Merkmale durch die Täter erfasst ist. Jedoch warne ich vor den möglichen Folgen einer ersatzlosen Streichung des Merkmals "Angriff auf die Menschenwürde" aus § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB, der die mündliche Hetze durch Beleidigung und Verleumdung erfasst. Die mehrfachen Streichungen könnten das Korrektiv gefährden, das nach dem BVerfG dazu dient, "nicht strafwürdig erscheinende Fälle auszuscheiden". Was dann bleibt, ist eine rassistische oder antisemitische Beleidigung, die dann mit Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten bestraft wird. Also härter als die Leugnung des Holocausts nach Absatz 3. Dann stehen meines Erachtens die Varianten der Volksverhetzung völlig außer Verhältnis.
Zudem halte Ich den Entwurf für problematisch, in beiden Varianten des Abs. 1 auf den Inlandsbezug zu verzichten. Eine Äußerung über einen politischen Konflikt im Ausland könnte, selbst wenn ihr Inhalt unsensibel, geschichtsvergessen und falsch ist, zu Recht straflos bleiben, wenn sie keine inländische Bevölkerungsgruppe betrifft. Ich denke, dass ohne Inlandsbezug das Delikt und seine Rechtsfolgen nicht mehr zu legitimieren wären.
Die Forderung der Union nach einem neuen Regelbeispiel für Antisemitismus wird von Experten wie kritisch betrachtet. Meiner Ansicht nach ist dies nicht notwendig, da das bestehende Gesetz bereits Maßnahmen gegen antisemitische Straftaten vorsieht. Der § 46 Abs. 2 StGB ermöglicht bereits eine strengere Bestrafung bei rassistischen, fremdenfeindlichen, antisemitischen oder menschenverachtenden Beweggründen. Dieser Abschnitt des Gesetzes berücksichtigt somit bereits die besondere Schwere von Straftaten, die auf Hass und Diskriminierung basieren. Die "Hate-Crime-Regelung" wird als Strafzumessungsregel und nicht als Regelbeispiel ausgestaltet. Meiner Überzeugung nach macht dies in der Praxis kaum einen Unterschied. Die Forderung nach der Einführung eines Regelbeispiels scheint zwar naheliegend zu sein, hat jedoch keine direkte rechtliche Konsequenz. Es scheint, als wäre der Vorschlag der Union in erster Linie symbolischer Natur. Es wird deutlich, dass es sich dabei eher um eine politische Geste handelt, ohne unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtspraxis. Es wäre sinnvoll, sich auf Maßnahmen zu konzentrieren, die tatsächlich substantielle Veränderungen bewirken können, anstatt sich auf symbolische Gesten zu beschränken.
Angesichts der aktuellen Diskussionen und der Unsicherheiten in Bezug auf eine mögliche Verschärfung des Äußerungsstrafrechts bin ich als Strafverteidiger in Hannover der Meinung, dass eine gewisse Zurückhaltung geboten ist. Es ist wichtig, dass mögliche Gesetzesänderungen sorgfältig durchdacht und abgewogen werden, um die Balance zwischen Meinungsfreiheit und dem Schutz vor Hasskriminalität zu wahren. Eine überstürzte Verschärfung könnte die aktuelle aufgeheizte Diskussion weiter anfachen, anstatt konstruktive Lösungen zu finden. Daher ist es angebracht, die Debatte mit Bedacht zu führen und auf eine ausgewogene Gesetzgebung hinzuarbeiten.
Fazit
Abschließend lässt sich für mich als Strafverteidiger festhalten, dass eine umfassende Diskussion und sorgfältige Abwägung der vorgeschlagenen Reformen notwendig sind. Die Rechtslage sollte nicht überstürzt verändert werden, sondern in einem sorgfältigen Prozess, der alle relevanten Aspekte berücksichtigt. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir einen angemessenen rechtlichen Rahmen schaffen, der sowohl den Schutz vor antisemitischen Straftaten als auch die Meinungsfreiheit gewährleistet. Wenn Sie sich fragen: Vorwurf der Volksverhetzung, was tun? Dann kontaktieren Sie einen Rechtsanwalt für Strafrecht!
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