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Öffentlichkeitsgrundsatz

Hier erfahren Sie alles Wesentliche und Notwendige über sog. Öffentlichkeitsgrundsatz.

Öffentlichkeitsgrundsatz

Öffentlichkeitsgrundsatz

Für den Angeklagten stellt eine öffentliche Hauptverhandlung oftmals eine besondere Belastung dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn Umstände aus seinem persönlichen Lebensbereich erörtert werden und der Gerichtssaal volle neugieriger Zuschauer, Presseleute oder sogar einer Schulklasse ist. Daher stellt sich für den Angeklagten berechtigterweise die Frage, wieso Gerichtsverhandlungen vor dem Strafgericht grundsätzlich öffentlich sind.

Was besagt der Grundsatz der Öffentlichkeit?

Der in § 169 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz) und auch in Art. 6 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) zum Ausdruck kommende Grundsatz der Öffentlichkeit besagt, dass die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung des Urteils und der Beschlüsse öffentlich sein muss. Das bedeutet, dass im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten des Verhandlungsortes die Möglichkeit des Eintritts beliebiger Zuhörer gewährleistet sein muss. Dabei ist unter Öffentlichkeit zu verstehen, dass jedermann ohne Ansehung seiner Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen der Bevölkerung und ohne Ansehung bestimmter persönlicher Eigenschaften die Möglichkeit hat, an den Verhandlungen der Gerichte als Zuhörer teilzunehmen.

Die Öffentlichkeit ist jedoch dann nicht hergestellt und die Zugangschance für das Publikum damit nicht gewährleistet, wenn es nur einen Stuhl gibt. Das liegt daran, dass ein einzelner Zuhörer nicht die Allgemeinheit repräsentieren kann. Andererseits hat das draußen wartende Publikum, wenn bereits alle Plätze besetzt sind, keinen Anspruch darauf, dass das Gericht in einen größeren Saal umzieht. Hat beispielsweise eine Schulklasse den gesamten Gerichtssaal gefüllt, dann kann niemand geltend machen, dass er Vorrang genießt, auch nicht als Angehöriger. Lediglich für die Presse wird von diesem Gleichheitsprinzip eine Ausnahme gemacht, was mit der in Art. 5 GG (Grundgesetz) geschützten Medienöffentlichkeit zusammenhängt. Gibt es mehr Medienvertreter als freie Plätze im Gerichtssaal, dann muss ein faires Auswahlverfahren durchgeführt werden. Das geschieht gegebenenfalls unter Differenzierung nach der Medienart, also Fernsehen, Printmedien, ausländische Medienvertreter etc.

Welchen Zweck hat der Grundsatz der Öffentlichkeit?

Historisch betrachtet hat die öffentliche Hauptverhandlung den Zweck, vor Willkür und Heimlichkeiten und vor fremden Einflüssen und Eingriffen (Stichwort „Kabinettsjustiz“) zu schützen. Auf diese Weise sollte auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsprechung gestärkt werden. Diese Funktionen werden auch heute natürlich dem Grundsatz der Öffentlichkeit zugeschrieben, allerdings dominiert vor allem das Informationsinteresse der Allgemeinheit.

Kann die Verhandlung auch in eine Räumlichkeit außerhalb des Gerichtsgebäudes verlegt werden?

Die Verhandlung kann auch in eine Räumlichkeit außerhalb des Gerichtsgebäudes verlegt werden. Die Verlegung des Sitzungsortes ist grundsätzlich möglich und manchmal sogar auch notwendig. Bei einer Verlegung innerhalb des Gerichts genügt die Möglichkeit der Kenntnisnahe von der Verlegung beim Pförtner. Bei einer Verlegung in einen Raum außerhalb des Gerichtsgebäudes ist hingegen ein deutlicher Hinweis sowohl am ursprünglich vorgesehenen als auch am neuen Verhandlungsort notwendig. Eine Ausnahme gilt aber dann, wenn die Verhandlung vor einer Massenöffentlichkeit zu einem Schauprozess führt. Dann besteht nämlich insoweit das Problem, als hierdurch der Angeklagte von einem Prozesssubjekt zu einem bloßen Schauobjekt degradiert wird. Daneben besteht auch die Gefahr, dass die Neutralität der Richter aufgrund des unmittelbaren Drucks durch die große Menge anwesender Zuschauer beeinflusst werden kann. Die Rechtsprechung kommt daher im Hinblick auf die Wahrung der Beschuldigtenrechte und unter dem Blickwinkel des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zu einer unzulässigen Erweiterung der Öffentlichkeit.

Kann die Öffentlichkeit beschränkt werden?

Der Grundsatz der Öffentlichkeit kann natürlich nicht uneingeschränkt gelten. Denn gerade der Angeklagte, aber auch Zeugen und andere Verfahrensbeteiligte haben das Bedürfnis, dass bestimmte berufliche oder höchstpersönliche Umstände der Öffentlichkeit verborgen bleiben. In verfassungsrechtlicher Hinsicht wird dieses Bedürfnis durch die Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG abgesichert. Das Zugangsrecht der Öffentlichkeit ist daher gewissen Grenzen ausgesetzt, was vor allem dann gilt, wenn die Beschränkung zur ordnungsgemäßen Durchführung der Sitzung unumgänglich ist.

Allgemeiner Ausschluss der Öffentlichkeit

So ist der allgemeine Ausschluss der Öffentlichkeit unter den Voraussetzungen der §§ 171a, 171b, 172 GVG zulässig: Nach § 171a GVG kann die Öffentlichkeit für die Hauptverhandlung oder für einen Teil davon ausgeschlossen werden, wenn das Strafverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Erziehungsanstalt zum Gegenstand hat. Nach § 171b GVG kann die Öffentlichkeit zum Schutz der Privatsphäre eines Prozessbeteiligten, Zeugen, oder durch die Tat Verletzten ausgeschlossen werden, sofern nicht das Interesse der öffentlichen Erörterung der persönlichen Lebensbereiche überwiegen. Schließlich kann die Öffentlichkeit nach § 172 GVG auch ausgeschlossen werden, wenn die Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit eines Zeugen oder einer anderen Person, der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Sittlichkeit zu befürchten ist, wenn wichtige Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnisse zur Sprache kommen, und durch deren öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden. Gleiches gilt, wenn ein Privatgeheimnis erörtert wird, dessen unbefugte Offenbarung durch den Zeugen oder Sachverständigen mit Strafe bedroht ist oder wenn eine Person unter 16 Jahren vernommen wird.

Ausschluss einzelner Personen

Einzelne Personen können unter den Voraussetzungen der §§ 175 ff. GVG ausgeschlossen werden. So können Minderjährige ausgeschlossen werden, die sichtbar unreif sind, um ernsthaft teilzunehmen sowie betrunkene oder provokante Personen, wenn auf diese Weise ansonsten die „Würde des Gerichts“ verletzt werden würde (§ 175 Abs. 1 GVG). Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt gemäß § 176 GVG dem Vorsitzenden, welcher diejenige Person ausschließen kann, die den dazu getroffenen Anordnungen des Vorsitzenden nicht Folge leistet. Beisitzer, Schöffen, Staatsanwaltschaft, Verteidiger, Rechtsanwälte als Beistand oder Vertreter eines Privatklägers, Nebenklägers oder Nebenbeteiligten können zwar ermahnt und nach § 176 GVG auch zur Ordnung gerufen, nicht aber von der Sitzung ausgeschlossen werden. Aus § 58 Abs. 1 StPO (Strafprozessordnung) folgt schließlich, dass Zuhörer zum Verlassen des Sitzungssaals aufgefordert werden können, sobald mit der Möglichkeit zu rechnen ist, dass sie aufgrund konkreter Anhaltspunkte als Zeugen in Betracht kommen.

Ist das Jugendstrafverfahren auch öffentlich?

Der Ausschluss der Öffentlichkeit ist im Jugendstrafverfahren gemäß § 48 Abs. 1 JGG (Jugendgerichtsgesetz) für das gesamte Verfahren einschließlich der Urteilsverkündung zwingend vorgeschrieben. Der Grund hierfür liegt in der Gewährleistung eines besonders ausgeprägten Persönlichkeitsschutzes sowie der Abschirmung schädlicher Einflüsse durch die Öffentlichkeit im Hinblick auf die künftige Entwicklung des Jugendlichen. Anders als Jugendliche, also Personen ab 14 bis einschließlich 17 Jahren, müssen Heranwachsende hingegen, also Personen ab 18 bis einschließlich 20 Jahre, eine öffentliche Hauptverhandlung grundsätzlich hinnehmen, es sei denn, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit im Interesse des Heranwachsenden geboten ist (§ 109 Abs. 1 S. 4 JGG).

Wie steht es um Ton- und Filmaufnahmen während der Hauptverhandlung?

Von praktisch größerer Bedeutung als die unmittelbare physische Anwesenheit einzelner Zuhörer ist sicherlich die Berichterstattung durch die Medien. Doch anders als in den meisten US-Bundestaaten, in denen Gerichtsverhandlungen gefilmt und im Fernsehen übertragen werden dürfen, sind in der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 169 Abs. 1 S. 2 GVG Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts unzulässig. Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Gericht aber gemäß § 169 Abs. 1 S. 3 GVG die Tonübertragung in einen Arbeitsraum für Medienvertreter zulassen. Eine Ausnahme bildet § 169 Abs. 2 S. 1 GVG, wonach Tonaufnahmen der Verhandlung einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken von dem Gericht zugelassen werden können, wenn es sich um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland handelt. Schließlich kann gemäß § 169 Abs. 3 S. 1 GVG das Gericht abweichend von § 169 Abs. 1 S. 2 GVG für die Verkündung von Entscheidungen des BGH in besonderen Fällen Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts zulassen. Notizen und Zeichnungen dürfen sowohl die Prozessbeteiligten als auch die Zuhörer anfertigen. Allerdings kann der Vorsitzende den Pressevertretern wiederum die Benutzung von Laptops verbieten, wenn ansonsten das Verbot von Ton- und Filmaufnahmen umgangen werden könnte.

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