StPO-Reform
Hier erfahren Sie alles Wesentliche und Notwendige über die StPO-Reform.
StPO-Reform 2017
Die Strafprozessordnung, kurz StPO, wurde durch den Gesetzgeber 2017 durch das „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ und das „Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts“ an zahlreichen Stellen geändert. Die Neuregelung ist seit dem 24.08.2017 in Kraft und hat das Ziel, das Strafverfahren in der Bundesrepublik Deutschland effektiver zu gestalten. Im Folgenden sollen einige Neuheiten dargestellt werden, wobei die Aufzählung nicht abschließend ist.
Erweiterung des Fahrverbots in § 44 StGB
Im materiellen Strafrecht hat sich zum einen das in § 44 StGB (Strafgesetzbuch) geregelte Fahrverbot geändert, indem es auf sämtliche Straftaten ausgeweitet worden ist. Durch das Fahrverbot gemäß § 44 StGB wird dem Betroffenen untersagt, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr zu führen. Dabei muss er seinen Führerschein in amtliche Verwahrung abgeben, den er nach Ablauf des Zeitraums zurückbekommt. Dem Betroffenen soll auf diese Weise sein schuldhaftes Verhalten aufgezeigt und eine Besserung für die Zukunft erreicht werden.
Während das Fahrverbot gemäß § 44 StGB dabei bisher nur auf Straftaten beschränkt war, die mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs in Zusammenhang standen, ist der erforderliche Verkehrsbezug durch die Reform gestrichen worden. Daneben ist die Höchstdauer für das Fahrverbot von früher 3 Monaten auf 6 Monate erhöht worden. Bei Jugendlichen bleibt die Höchstdauer für das Fahrverbot allerdings gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 Jugendgerichtsgesetz (JGG) ausdrücklich bei 3 Monaten. Durch die Neuregelung soll eine Sanktionsalternative im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht zur Freiheitsstrafe für Personen bestehen, für die eine Geldstrafe keine ernstzunehmende Sanktion darstellt.
Um verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz entgegen zu wirken, wurden zudem in § 44 Absatz 1 Satz 2 StGB konkrete Vorgaben formuliert, wann die Anordnung eines Fahrverbots bei Straftaten ohne Verkehrsbezug in Betracht kommt. So kann die Anordnung eines Fahrverbots vor allem dann in Erwägung gezogen werden, wenn sie zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich erscheint oder hierdurch die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder deren Vollstreckung vermieden werden kann.
Neue Regelbeispiele in § 266 a StGB
Obwohl von der StPO-Reform hauptsächlich – wie es der Name unschwer erkennen lässt – zahlreiche Vorschriften der StPO reformiert und renoviert worden sind, hat sich auch beim § 266a StGB etwas getan, der den Titel „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“ trägt. Vor der Neuregelung war nur die Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege als besonders schwerer Fall gemäß § 266a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 StGB geregelt gewesen. Darunter fielen keine unrichtigen Rechnungen, zumal diese in der Regel auch nicht im Sinne der Norm „verwendet“, sondern vom Täter nur vorsorglich vorgehalten wurden. Auf diese Weise konnten der tatsächliche Zahlungszweck und damit die tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse verheimlicht werden.
Durch die Einführung des neuen § 266a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 StGB wird nun genau der Fall erfasst, dass sich der Arbeitgeber zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet. Im neuen § 266a Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 StGB wird zudem auch die bandenmäßige Begehung, also der Zusammenschluss von mindestens drei Personen zum Zwecke des fortgesetzten Vorenthaltens von Beiträgen und zum Verschleiern der Beschäftigungsverhältnisse durch nachgemachte, verfälschte oder unrichtige Belege, erfasst.
Durch die Einführung dieser Regelbeispiele des § 266a StGB soll zum Zweck der Bekämpfung der Schwarzarbeit der Unrechtsgehalt bestimmter Verhaltensweisen mit größerem Organisationscharakter stärker zum Ausdruck kommen.
Neue Anordnungskompetenz für Blutentanhmen in § 81 a StPO
Während im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zuvor grundsätzlich eine richterliche Anordnung erforderlich gewesen ist und bei einer sog. Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung sowohl von der Staatsanwaltschaft bzw. den Verfolgungsbehörden oder ihren Ermittlungspersonen erteilt werden konnte, gilt aufgrund der Neufassung des § 81a StPO seit dem 28.07.2017 kein Richtervorbehalt mehr. Dies ist der Fall, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Gefährdung des Bahn-, Schiffs- und Luftverkehrs durch Trunkenheit (§ 315a StGB), eine Gefährdung des Straßenverkehrs durch Trunkenheit (§ 315c StGB) oder eine Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) als Straftat begangen worden ist. Dies gilt auch im Bußgeldverfahren für § 24a (0,5 Promille-Grenze) und 24c StVG (Alkoholverbot für Fahranfänger und Fahranfängerinnen). Insofern kann die Polizei in solchen Fällen der Trunkenheits- oder Drogenfahrt ohne Erwägung des Richters über die Entnahme einer Blutprobe entscheiden. Darüber hinaus muss sie auch keine Entscheidung der Staatsanwaltschaft einholen. Durch diese gleichrangige Anordnungskompetenz soll einer größeren Strafverfolgungseffektivität im Bereich der Straßenverkehrsdelikte beigetragen werden.
Legalisierung der sog. „DNA-Beinahetreffer“ in § 81 h StPO
Kam man durch den Abgleich einer DNA-Spur bei einer Reihenuntersuchung zum Ergebnis, dass die Spur zwar von keiner untersuchten Person, wahrscheinlich aber aufgrund der teilweisen Übereinstimmung von einem Verwandten der untersuchten Person stammte, so war die daraus gewonnene Erkenntnis nach alter Rechtslage nicht verwertbar. Durch die Neuerung in § 81h StPO ist es nun zulässig, diejenigen Erkenntnisse zu verwerten, die auf ein nahes Verwandtschaftsverhältnis hindeuten. Damit ist die Verwertbarkeit sogenannter „DNA-Beinahetreffer“ nun geregelt.
Legalisierung der sog. „Quellen-TKÜ“
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Mithilfe der Telekommunikationsüberwachung, kurz: TKÜ, welche in § 100a StPO geregelt ist, können die Ermittlungsbehörden die laufende Kommunikation des Beschuldigten überwachen. Danach können beispielweise Telefongespräche über den Provider mitgehört und E-Mails oder SMS-Nachrichten abgefangen werden. Aufgrund des neu in Absatz 1 eingefügten Satz 2 kann nunmehr auch die sog. „Quellen-TKÜ“ durchgeführt werden. Bei dieser Überwachungsmethode wird ohne Wissen des Betroffenen ein Schadprogramm auf dessen PC installiert, welches die versendeten Kommunikationsdaten an der Quelle abfängt und sodann an die Ermittlungsbehörden weiterleitet. Dies ist deshalb erforderlich, weil einige Messenger-Apps wie WhatsApp jüngst mit der sog. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung arbeiten. Weil diese automatisch generierte Verschlüsselung schlicht zu stark ist, konnten die abgefangenen Daten die Ermittlungsbehörden bei der Strafverfolgung nicht weiterbringen. Durch die „Quellen-TKÜ“ ist es ihnen jetzt jedoch durch das Abfangen der Daten in unverschlüsselter Form an der Quelle möglich, die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu umgehen.
Regelung der sog. Online-Durchsuchung?
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Durch die Neuregelung des § 100b StPO ist es den Ermittlungsbehörden auch möglich, bei der bereits abgeschlossenen Kommunikation eine sogenannte Online-Durchsuchung durchzuführen. In Abgrenzung zur laufenden Kommunikation ist bei der abgeschlossenen Kommunikation der Übertragungsvorgang bereits in dem Moment beendet, in dem die Nachricht auf dem Gerät ankommt. Mithilfe eines Trojaners können unbemerkt durch den Betroffenen so beispielsweise Chat-Logs vom Smartphone oder Computer herunterladen werden. Die Voraussetzungen für die Online-Durchsuchung sind aber wesentlich höher als bei der TKÜ, weil sie einen größeren Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen darstellt.
Vor diesem Hintergrund ist die Ausnahmeregelung des § 100a Abs. 1 Satz 3 StPO von Bedeutung, durch die das Auslesen bereits abgespeicherter Daten wie z.B. Chat-Logs erlaubt ist, wenn diese auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können.
Aufzeichnung der Beschuldigtenvernehmung
Durch die Regelung des neuen § 136 Abs. 4 StPO soll zusätzlich eine grundsätzliche audiovisuelle Aufzeichnungspflicht in den Fällen bestehen, in denen es um ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt, schutzwürdige Interessen von Minderjährigen oder einen Beschuldigten geht, der erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leidet. Sie tritt erst 2020 in Kraft und soll vor allem eine bessere Dokumentation des Ermittlungsverfahrens ermöglichen.
Erscheinungspflicht von Zeugen bei der Polizei
Bis vor kurzem musste eine Person einer Vorladung weder als Beschuldigter noch als Zeuge nachkommen. Insofern konnte jeder Bescheid der Polizei, durch den eine Person zur Vernehmung/Anhörung aufgefordert wurde, ignoriert werden. Der Person stand es also frei, ob sie zu dem genannten Vernehmungstermin erscheint. Dies hat sich durch die Gesetzesänderung zum 24.08.2017 geändert. Ob eine Person zur Vernehmung/Anhörung erscheinen muss, hängt nun im Wesentlichen davon ab, ob sie als Zeuge oder Beschuldigter geladen wird. Zeugen sind gemäß § 163 Abs. 3 Satz 1 StPO nunmehr verpflichtet, bei der Polizei zu erscheinen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt. Wird der Auftrag jedoch nicht erwähnt, dann bleibt es so wie davor und der Zeuge muss der Aufforderung nicht zwingend nachkommen.
Nötigung gem. § 240 StGB ist ein Privatklagedelikt
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Die einfache Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 bis 3 StGB stellt seit der Reform aufgrund des § 374 Abs. 1 Nr. 5 nun ein sog. Privatklagedelikt dar. Bei Privatklagedelikten wird gemäß § 376 StPO eine öffentliche Klage nur dann von der Staatsanwaltschaft erhoben, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Liegt kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung vor, wird das Verfahren von der Staatsanwaltschaft eingestellt und der Verletzte auf die Möglichkeit hingewiesen, die Sache im Wege der Privatklage selbst zu verfolgen. Dem Verletzten ist es dann selbst überlassen, ob er anstelle der Staatsanwaltschaft selbst als Ankläger auftreten und das Strafverfahren weiterführen will oder nicht.
Erweiterung der Informationspflichten bei der Beschuldigtenvernehmung?
Die Einlassungen des Beschuldigten sind nicht verwertbar, wenn die Ermittlungsbehörden den Beschuldigten bei dessen ersten Vernehmung über die ihm zustehenden Rechte nicht belehren. Dazu zählen insbesondere sein Schweigerecht oder das Recht, einen Verteidiger heranzuziehen. Durch die neu eingefügten Sätze 4 und 5 des § 136 Abs. 1 StPO sind die Ermittlungsbehörden darüber hinaus nunmehr auch verpflichtet, dem Beschuldigten allgemeine Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren und auf bestehende anwaltliche Notdienste hinzuweisen. Unterbleibt diesbezüglich die Belehrung des Beschuldigten vor Beginn der Vernehmung, so können dessen Angaben im Anschluss grundsätzlich nicht mehr zu seinem Nachteil verwertet werden.
Erörterungstermin nach § 213 Abs. 2 StPO
Auch im Rahmen des Hauptverfahrens sind Änderungen vorgenommen worden. So besteht gemäß § 213 Abs. 2 StPO in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird nunmehr die Möglichkeit, den äußeren Verlauf der Hauptverhandlung im Vorfeld abzustimmen.
„Opening-Statement“
Zudem ist durch die StPO-Reform das sog. „Opening Statement“ des Verteidigers geregelt worden. Durch den neuen § 243 Abs. 5 Satz 3 StPO hat dieser ebenfalls in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, die Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben. Die Erklärung darf den Schlussvortrag allerdings nicht vorwegnehmen.
Fragen zur StPO-Reform?
Als Fachanwalt für Strafrecht in Hannover stehe ich Ihnen jederzeit für Ihre Fragen rund um die Neuerungen im Rahmen der StPO-Reform zur Verfügung. Meine Erfahrung in diesem Rechtsgebiet ermöglicht eine qualitativ hochwertige Mandatsbearbeitung und eine schnelle und effektive Durchsetzung Ihrer Ansprüche und Interessen. Als Strafverteidiger in Hannover liegt mir dabei eine effektive und konsequente Verteidigung am Herzen.
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